Nach Paderborner Vorbild
Es mag ein Zeichen der vielfältigen Veränderungen seit der Wende sein, dass seit 1989 nur ein oberschlesischer Verein polnischer Meister wurde. Dies war jedoch nicht einer der Traditionsvereine, sondern der lange zweitklassige Sportklub Piast Gliwice. Dem Klub gelang es auch, als erster in der Region ein modernes Stadion fertigzustellen. Dabei orientierte sich Gleiwitz an einem Vorbild aus Paderborn.
Langer Weg zum Erfolg
1945 markiert das Ende des deutschen Gleiwitz und den Beginn des polnischen Gliwice. Zeitgleich mit der Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung wurden Polen aus den von der Sowjetunion annektierten Gebieten um Lemberg und Stanisławów angesiedelt. Diese gründeten am 18. Juni 1945 den Sportklub Piast Gliwice. Im Verein waren auch einheimische Oberschlesier aktiv, obwohl er stark galizisch geprägt war. In der Volksrepublik spielte Piast 35 Jahre in der zweiten Liga, schaffte den Aufstieg in die Ekstraklasa allerdings nie. Als Zweitligist erreichte der Klub 1978 und 1983 das Pokalfinale.

Foto: Nemo5576 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 / wikipedia
Die Wende brachte finanzielle Probleme mit sich, und die Fußballsektion wurde 1993 aufgelöst. 1997 erfolgte die Neugründung. Aus der untersten B-Klasse stieg Piast 2008 erstmals in die Ekstraklasa auf und konnte sich dort, mit Ausnahme der Jahre 2010 bis 2012, etablieren. Die letzten 13 Jahre sind die erfolgreichsten der Vereinsgeschichte. Nach der Vizemeisterschaft 2016 wurde Piast 2019 unter dem ehemaligen Nationaltrainer Waldemar Fornalik erstmals polnischer Meister – der erste oberschlesische Klub mit diesem Titel seit 1989 (damals Ruch Chorzów).
Zu den erfolgreichsten Piast-Fußballern gehört Andrzej Buncol. Der gebürtige Gleiwitzer Mittelfeldspieler (Spitzname „Krupniok“) begann seine Karriere in der Jugend von Piast, bevor er unter anderem für Ruch Chorzów, Bayer 04 Leverkusen und Fortuna Düsseldorf aktiv war (184 Bundesligaspiele / 21 Tore). Der größte Erfolg des polnischen WM-Teilnehmers von 1982 und 1986 war der Gewinn des UEFA-Pokals 1988 mit Bayer Leverkusen.
Erstes modernes Stadion in Oberschlesien
Das erste moderne Gleiwitzer Stadion entstand 1927. Das damalige Jahn-Stadion hatte eine Kapazität von 15.000 Plätzen. Bis 1945 war es die Heimat der Spielvereinigung Vorwärts-Rasensport Gleiwitz. Der regional erfolgreiche Klub schaffte es in der Saison 1936 sogar bis ins Halbfinale der deutschen Meisterschaft. Nach 1945 spielte hier Piast, wobei das Stadion nach dem Aufstieg 2008 für die Ekstraklasa zu marode war. So musste der Verein seine Heimspiele im 50 km entfernten Loslau austragen.
Paderborner Inspiration in Gleiwitz
Der Stadtrat entschied sich 2009 für einen Neubau und orientierte sich dabei am Stadion in Paderborn. Auf diese Weise wurden Zeit und Geld gespart. Das Projekt der deutschen Firma Bremer AG sah zudem die Möglichkeit eines nachträglichen Ausbaus um 5.000 Plätze vor. Das Stadion wurde nach nur 14 Monaten Bauzeit im November 2011 fertiggestellt.
Das neue städtische Stadion, das seit 2019 den Namen des ehemaligen Gleiwitzer Vize-Stadtpräsidenten Piotr Wieczorek trägt, beherbergt die übliche Infrastruktur sowie die Vereinsbüros. Trotz der äußeren Ähnlichkeit zur Paderborner Arena gibt es auch Unterschiede: Die Kapazität des Stadions in Paderborn liegt mit 15.000 Plätzen deutlich höher als in Gleiwitz (9.736 Plätze). Das liegt daran, dass die Piast-Heimat ausschließlich Sitzplätze bietet, während Paderborn mit knapp 7.000 Stehplätzen mehr Fans aufnehmen kann. Mit 13 Millionen Euro kostete das Stadion in Gleiwitz und damit 12 Millionen weniger als das Original. Bei der Bauzeit hat Gleiwitz mit 14 Monaten im Vergleich zu 3 Jahren klar die Nase vorn.

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In Gleiwitz konnten die Piast-Fans mehrfach international bei Qualifikationsspielen zu UEFA-Wettbewerben zu Hause spielen – davon kann der Paderborner SC, der seit 2021 in der 2. Bundesliga spielt, nur träumen. Dafür ziehen die Paderborner mit einem Zuschauerschnitt von 14.117 (Auslastung 94 %) deutlich mehr Fans an als Piast Gliwice mit 5.667 (58 %). Beide Stadien gehören übrigens zu den drittkleinsten Arenen ihrer jeweiligen Liga.
Fazit
Ein Fußballstadion ist wie der Verein ein wichtiger Teil lokaler Identität. Deshalb ist es eher selten, dass Stadien kopiert werden. Der Gleiwitzer Pragmatismus hat vielleicht nicht alle Fanträume erfüllt. Doch für einen moderaten Preis hat Gleiwitz ein solides Stadion erhalten, das der Stadt noch viele Jahre dienen wird.