Neue Arenen, alte Traditionen: Oberschlesiens Fußballstadien im Umbruch

wochenblatt.pl 2 godzin temu
Zdjęcie: Das Stadion in Königshütte war einst das modernste in Polen. Foto: privat


Teil 5 Königshütte

In Polen ist es bis heute der oberschlesische Fußballverein schlechthin: KS Ruch Chorzów. “Die Blauen” sind mit 14 Meistertiteln gemeinsam mit ihren Rivalen Górnik Zabrze Vizerekordmeister Polens und können auf eine außergewöhnliche Vereinshistorie zurückblicken. Doch das einst modernste Stadion Polens in Königshütte ist schon lange baufällig und der Weg zu einem Neubau weit.

Ein sehr oberschlesischer Verein

Die über 105-jährige Vereinsgeschichte kann hier nur sehr kurz angeschnitten werden. Gegründet wurde Ruch am 20. April 1920 von Plebiszitsaktivivisten und einem Teil der Spieler des Bismarckhütter Ballspiel Clubs BBC. Daraus entwickelte sich unter anderem dank des legendären Stürmers Ernest Wilimowski einer der stärksten Vereine der polnischen Zwischenkriegszeit (5x Meister), der 1927 auch Gründungsmitglied der Ekstraklasa war. Mit der Besetzung von Königshütte im September 1939 wurde Ruch als polnischer Verein aufgelöst, doch konnte viele Spieler ihre Karriere im „Bismarckhütter SV 99“ fortsetzen. Nach 1945 wurde Ruch neu gegründet. Dabei blieb dem Verein ein Teil der Fußballer, die vor 1939 für Ruch und im Krieg für den BSV gespielt hatten, erhalten (unter anderem Walter Brom, Gerard Wodarz). Andere hatten den Krieg nicht überlebt und einige, wie Wilimowski, kehrten nie wieder in ihre Heimat zurück.

Als Verein der Stahlindustrie war es Ruch in der Volksrepublik schwieriger gute Spieler zu rekrutieren, da er nicht die guten Gehälter der Bergmannsvereine wie Górnik zahlen konnte. Trotzdem gelang es Ruch zwischen 1951 und 1989 neun weitere polnische Meistertitel und drei Pokalsiege zu gewinnen. International erreichte Ruch 1973 und 1974 das Viertelfinale des Europa- und des UEFA-Pokals. Nach der Wende hatte Ruch, ähnlich wie andere oberschlesische Vereine, mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Dies wirkte sich auch auf die sportliche Lage aus. Zwar konnten sich die Blauen die meiste Zeit in der Ekstraklasa halten, doch nach drei Abstiegen hintereinander seit 2016 musste sich der Verein wieder hocharbeiten. Aktuell spielt Ruch in der zweitklassigen 1. Liga.

Ruch Chorzów und seine Fans bekennen sich klar zu ihrer oberschlesischen Identität. Dazu gehört das Vereinsmaskottchen „Adlerek“ und eine auch in Deutschland aktive Fanszene. Der 2004 gegründete K.S. Ruch Chorzów Fan Club Deutschland pflegt unter anderem das Grab Wilimowskis und sammelte Spenden, um die Umbettung der Ruch-Legende am 30. August 2025 zu ermöglichen.

Das einst modernste Stadion Polens

Der erste Meistertitel von Ruch 1933 veranlasste die noch unabhängige Kommune Wielkie Hajduki/Bismarckhütte (die Eingemeindung nach Königshütte erfolgte erst am 1. April 1939) zum Bau eines neuen Stadions. Zwischen Juli 1934 und September 1935 entstand das modernste Stadion des damaligen Polen mit 40.000 Plätzen. Für die damalige Zeit war besonders die Haupttribüne aus Stahl eine Attraktion. Das selbsttragende Dach ohne Stützen bot eine hervorragende Sicht auf das Spielgeschehen. Eine Besonderheit ist der Chronometer des Schweizer Produzenten Omega. Als Werbegeschenk kam dieser am 21. Mai 1939 ins Ruch-Stadion. Dass er bis heute erhalten geblieben ist, verdankt der Verein seinem Uhrmeister Augustyn Ferda. Dieser verstecke nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Uhr, sodass sie nach 1945 wieder das Stadion schmückte.

Das Stadion in Königshütte war einst das modernste in Polen.
Foto: privat

Nach 1945 wurde das Stadion mehrmals modernisiert. So wurden etwa eine Flutlichtanlage und eine Rasenheizung eingebaut. Trotz dieser Maßnahmen waren die technischen Mängel mit der Zeit so groß, dass das letzte Ligaspiel im November 2022 stattfand (1:0 gegen GKS Katowice). Seit dem muss Ruch seine Heimspiele im Gleiwitz oder im Schlesischen Stadion austragen.

Ein nationales und lokales Politikum

Der Stadionneubau ist seit langem ein Thema. Der frühere Stadtpräsident versprach ihn vier Mal, doch der Bau kam nie zustande. Im Parlamentswahlkampf 2023 sagte Ministerpräsident Morawiecki 100 Millionen PLN für das Stadion zu, aber die neue Regierung fördert stattdessen den Breitensport. Königshütte muss nun allein zurechtkommen.

Der Frust wuchs, weshalb der Wirtschaftswissenschaftler Szymon Michałek, selbst aus dem Ruch-Umfeld, ein eigenes Wahlkomitee gründete und als OB-Kandidat antrat. Mit dem Stadionneubau als Forderung erreichte er 39,13% der Stadtratsstimmen und wurde 2024 mit 54,7% im ersten Wahlgang Stadtpräsident. Der Abriss des alten Stadions begann im August 2025. Vorgesehen ist eine reine Fußballarena für 22.000 Zuschauer am alten Standort an der Cicha 6 mit Erweiterungsoption, doch für die klamme Kommune bleibt der Bau ein großer finanzieller Kraftakt.

Rekord im Ausweichstadion

Aktuell trägt Ruch seine Heimspiele im Schlesischen Stadion aus. Der legendäre Hexenkessel mit 54.378 Sitzplätzen wird jedoch auch für Leichtathletikturniere und Großkonzerte genutzt. Dies kollidiert oft mit dem Spielplan und zieht den Rasen in Mitleidenschaft. Für den normalen Ligabetrieb ist das Stadion zudem schlicht zu groß. Es spricht nur für Ruch und seine Fans, dass am 22. Februar 2025 insgesamt 53.293 Zuschauer dem Spiel gegen Wisła Krakau beiwohnten. Dies war die höchste Zuschaueranzahl im polnischen Ligabetrieb seit über 50 Jahren! Nichts zeugt wohl mehr von der Größe dieses außergewöhnlichen Vereins.

Idź do oryginalnego materiału