Kulturarbeit im DAZ: Ein Raum für Geschichte, Stimmen und Begegnung

wochenblatt.pl 5 godzin temu
Zdjęcie: Iga Nowicz bei der Nacht der Museen. Quelle: Iga Nowicz/DAZ


Das Entsendeprogramm des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) unterstützt Organisationen der deutschen Minderheiten in Osteuropa und Zentralasien durch den Einsatz von Kulturmanager:innen und Redakteur:innen. Mit ihrem Fachwissen helfen sie nicht nur bei Projekten, sondern auch dabei, ein modernes Deutschland- und Europabild zu vermitteln und die kulturelle Vermittlerrolle der Organisationen zu stärken. Wir sprechen mit den Entsandten über ihre Aufgaben, Ziele und Beweggründe für diese interkulturelle Tätigkeit. Mit Iga Nowicz sprach Victoria Matuschek.

Iga Nowicz bei der Nacht der Museen.
Quelle: Iga Nowicz/DAZ

Wie bist du zum ifa-Entsendeprogramm gekommen und was hat dich motiviert, im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen (DAZ) tätig zu werden?

Vor etwa einem Jahr, als ich mich beworben habe, wurde mir bewusst, dass ich gerne im Kulturbereich arbeiten möchte. Damals war ich als Beraterin in einem IT-Projekt tätig – dabei ging es viel um Kommunikation und Recherche. Trotzdem habe ich gemerkt, dass ich gerne zu einem Themenfeld zurückkehren würde, das stärker mit meinen persönlichen Interessen und meinem Studium, der Germanistik, verknüpft ist.

Ich fand die Stelle spannend und war neugierig auf Oppeln – eine Stadt, die ich bis dahin gar nicht kannte. Besonders angesprochen hat mich die Möglichkeit, eigenständig Projekte umzusetzen, eigene Ideen einzubringen und im Bereich Community-Arbeit tätig zu sein, also in einem Umfeld, in dem ich unmittelbar etwas bewegen kann. Ich wollte meine Zeit und Energie in konkrete Aktivitäten investieren, die verbindend wirken und verschiedene Gemeinschaften einander näherbringen. Mit meinem Hintergrund hat das einfach sehr gut gepasst.

Du kommst ja gebürtig aus Polen – hattest du vorher bereits Kontakt zur deutschen Minderheit?

Tatsächlich nicht – das war für mich etwas ganz Neues. Und genau das hat den Job für mich so attraktiv gemacht. Ich fand die Vorstellung spannend, eine neue Gemeinschaft kennenzulernen. Bis dahin war ich vor allem mit Deutsch als Fremdsprache vertraut und habe viel im Kontext der deutsch-polnischen Zusammenarbeit gearbeitet, vor allem in Berlin. Umso interessanter war es für mich, nun die andere Seite kennenzulernen – die deutsche Minderheit in Polen.

Du hast Germanistik studiert und warst auch in Berlin. Hast du denn längere Zeit in Deutschland gelebt – und wenn ja, wo genau?

Ich war während meines Studiums sehr häufig in Deutschland. Zunächst habe ich ein Praktikum in Hamburg gemacht, später dann ein Jahr in Heidelberg studiert und gearbeitet. Als ich mit meiner Doktorarbeit in London begonnen habe, war ich Teil eines Joint-PhD-Programms – ein Teil davon fand in Berlin statt. So kam ich 2014 zum ersten Mal für ein Jahr nach Berlin: Ich war an der Universität, habe recherchiert und versucht, mich einzubringen.

2016 bin ich dann erneut nach Berlin gezogen und 2018 habe ich meine Dissertation abgeschlossen. Ich habe dort auch an der Humboldt-Universität unterrichtet. Die Zeit in Berlin war für mich in vielerlei Hinsicht prägend. Es war definitiv eine sehr formative Phase meines Lebens – durch die Freundschaften, die ich geschlossen habe, und weil ich mich selbst besser kennengelernt habe.

Berlin war für mich ein Ort der Offenheit und Möglichkeiten. Ich habe dort gelernt, dass es viele verschiedene Wege gibt und dass es in Ordnung ist, sich Zeit zu lassen, um Entscheidungen zu treffen – und weiter auf der Suche zu sein. Außerdem habe ich dort meine kreative Seite wiederentdeckt: Ich habe viel geschrieben, war im Austausch mit kreativen Menschen – all das hat mich sehr inspiriert.

Du hast bereits erwähnt, dass du während deines Studiums im Bereich deutsch-polnische Beziehungen tätig warst. Wie erlebst du den interkulturellen Austausch in Oppeln – insbesondere im Kontakt mit der deutschen Minderheit und der polnischen Mehrheitsgesellschaft?

Ich war ehrlich gesagt überrascht, als ich meine Arbeit aufgenommen habe und Menschen aus der polnischen Mehrheitsgesellschaft erzählte, was ich mache. Es hat mich erstaunt, wie stark manche Vorurteile noch immer vorhanden sind und welche Assoziationen viele mit „den Deutschen in Polen“ verbinden. Es gibt nach wie vor viele Klischees – und natürlich ist die Beziehung durch den Zweiten Weltkrieg nachhaltig geprägt. Aber das ist nicht das einzige Thema, mit dem wir hier arbeiten.
Für viele scheint es fast selbstverständlich: Wenn man von der deutschen Minderheit spricht, denken sie sofort an den Krieg. Das ist zwar nachvollziehbar, aber mir war vorher nicht bewusst, wie präsent dieses Narrativ nach wie vor ist. Deshalb versuche ich immer wieder zu erklären, worum es in unserer Arbeit eigentlich geht – was unsere Schwerpunkte sind, unsere Mission und welche Ziele wir verfolgen.

Die deutsche Minderheit ist für mich eine neue Gemeinschaft, und ich finde es sehr beeindruckend, wie stark ihr Zusammenhalt ist. Es gibt tatsächlich Menschen, die regelmäßig zu uns kommen, die unsere Arbeit verfolgen und sich aktiv beteiligen – unsere Stammgäste sozusagen. Man spürt bei ihnen ein echtes Bedürfnis, sich mit der eigenen Geschichte und Kultur auseinanderzusetzen.

Ich sehe meine Rolle darin, diese Gemeinschaft zu stärken – aber auch darin, neue Themen einzubringen und zusätzliche Perspektiven aufzuzeigen. Zum Beispiel habe ich versucht, über Literatur zu arbeiten. Ich denke, das ist ein guter Weg, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen – auf eine offenere, zugänglichere Weise, die auch Menschen anspricht, die nicht zur Minderheit gehören.

Der Workshop im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Die Frau und der Krieg” mit Dr. Katherine Stone eröffnete neue Perspektiven auf ein schmerzhaftes Kapitel der Geschichte.
Quelle: Iga Nowicz/DAZ

Ich finde, deine Position als gebürtige Polin mit starker Bindung zur deutschen Sprache macht dich zur idealen Brückenbauerin zwischen zwei Kulturen. Gibt es ein Projekt, eine Ausstellung oder Veranstaltung, auf die du besonders stolz bist? Was war dir dabei wichtig zu vermitteln?

Besonders stolz bin ich auf das Projekt „Die Frau und der Krieg“, das wir im April durchgeführt haben. Es drehte sich um Erinnerungen von Frauen rund um das Jahr 1945 – insbesondere um das Schweigen oder die Schwierigkeit, über bestimmte Erlebnisse zu sprechen, etwa über Gewalterfahrungen. Für mich ist das ein gutes Beispiel für kulturelle Bildung: Ein historisches Thema wird aufgegriffen, das bis heute in Familien und Gemeinschaften nachwirkt – und doch oft aus verschiedenen Gründen lange verschwiegen wurde.

Im Zentrum stand das Buch Eine Frau in Berlin, das wir gemeinsam mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Katherine Stone aus Großbritannien besprochen haben. Ergänzt wurde das durch eine Podiumsdiskussion mit Historiker:innen und eben auch der Literaturwissenschaftlerin. Ich fand die Kombination aus Literatur und Geschichtswissenschaft sehr gelungen – einerseits die fachliche Einordnung, andererseits ein persönlicher Zugang über den Text.

Besonders wichtig war mir der offene Austausch mit dem Publikum: In einem Workshop hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, über das Gelesene ins Gespräch zu kommen, ihre eigenen Gedanken zu teilen oder einfach zuzuhören. Viele sprachen davon, dass es in ihrer Familie ähnliche Geschichten gibt – auch wenn manches nur angedeutet wurde oder bis heute unklar bleibt. Ich denke, gerade hier kann Literatur eine wichtige Rolle spielen, indem sie das Unsagbare oder Verdrängte thematisiert – und auf indirektem Weg einen Zugang schafft.

Aus dem Projekt hat sich sogar ein weiteres Treffen ergeben. Wir haben kürzlich ein Tagebuch aus der Oppelner Region thematisiert – begleitet von Monika Wittek, die den historischen Kontext eingeordnet hat. Auch hier arbeiteten wir mit einem Text, der den Einstieg erleichtert hat. Es war schön zu sehen, dass viele sich auf das Thema eingelassen haben. Solche Veranstaltungen zeigen für mich ganz konkret, welche Wirkung unsere Arbeit haben kann.

Das DAZ arbeitet ja auch stark erinnerungskulturell. Wie gelingt es dir, Geschichte lebendig zu vermitteln – besonders, wenn Quellen oder Stimmen lange verschwiegen wurden? Wie gehst du an diese Arbeit heran und wie bringst du dich ein?

Ein wichtiger Ansatz für uns ist die Arbeit mit Zeitzeug:innen – Menschen, die ihre Geschichte selbst erlebt haben und dabei unterschiedliche Zielgruppen erreichen können, etwa Kinder oder Jugendliche. Für ältere Zielgruppen laden wir häufiger Expert:innen ein, etwa Autor:innen oder Historiker:innen, die sich intensiv mit bestimmten Themen beschäftigt haben.

Was für mich Geschichte wirklich lebendig macht, sind die Menschen. Sei es, weil sie eigene familiäre Verbindungen zum Thema haben oder weil sie sich aus Interesse und Überzeugung damit befassen. Diese persönliche Verbindung – und die Begeisterung, mit der sie erzählen – macht einen großen Unterschied. Spannend finde ich auch den lokalen Zugang zur Geschichte: die Auseinandersetzung mit Orten, Gebäuden oder topographischen Spuren, die sich verändert haben, aber dennoch Geschichten in sich tragen.

Gerade in Oppeln spürt man, dass überall Geschichte vorhanden ist – man muss manchmal nur nachfragen oder nachforschen. Was mir hilft, ist, wenn bereits jemand anders diesen Weg in die Vergangenheit gegangen ist und seine Erfahrungen teilt. Das motiviert und überzeugt mich auch selbst.

„Ich sehe meine Rolle darin, Räume für Begegnung und Austausch zu schaffen.“

Zurzeit beschäftigt mich besonders die Frage, wie wir die polnische Mehrheitsgesellschaft sowie jüngere Generationen erreichen können. Welche Themen können sie ermutigen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen? Ich denke, es sind vor allem persönliche, alltägliche Geschichten, die einen Zugang schaffen.

Bei den Veranstaltungen zu Gewalterfahrungen von Frauen haben wir gesehen, dass viele Teilnehmende in der Lage waren, Verbindungen zu heutigen Themen herzustellen – zu aktuellen Konflikten, zu anderen Regionen der Welt. Diese Parallelen machen die Auseinandersetzung relevant für ganz unterschiedliche Zielgruppen und zeigen, dass Erinnerungskultur auch eine Brücke zur Gegenwart schlagen kann.

Ich habe den Eindruck, das DAZ erreicht die Mehrheitsgesellschaft relativ gut. Du hast ja im Rahmen des Projekts „Die Frau und der Krieg“ auch mit verschiedenen Radiosendern und Zeitungen gesprochen. Wie war das für dich? Hattest du das Gefühl, du erreichst damit eine breitere Gesellschaft – vielleicht auch verschiedene Minderheiten?

Ja, auf jeden Fall. Natürlich hängt das immer ein wenig vom jeweiligen Projekt ab. Besonders gut angenommen wird hier in Oppeln zum Beispiel unsere Veranstaltungsreihe „Minderheiten im Dialog“. Beim letzten Mal waren Vertreter:innen der tatarischen Minderheit zu Gast. Wir haben ein Gespräch geführt, es gab eine Verkostung der tatarischen Küche und sogar einen kleinen Kochworkshop. Das kam sehr gut an – auch, weil es Teil der „Nacht der Museen“ war. Aber man hat deutlich gespürt, dass das Format selbst überzeugt.

Ein weiteres Beispiel ist die Kinderübernachtung, die wir anlässlich des Internationalen Kindertags veranstaltet haben. Die war sehr schnell ausgebucht. Es sind Formate, die immer wieder stattfinden und die das Private mit dem Öffentlichen verbinden. Kochen ist Teil der Alltagskultur – und weckt Neugier auf andere Menschen. Man merkt, dass solche Begegnungen einen großen Reiz ausüben.

Auch das Angebot, dass Kinder tatsächlich im DAZ übernachten können, schafft eine emotionale und verbindende Erfahrung. Ich glaube, genau das ist der Weg, um eine breitere Zielgruppe zu erreichen.

Wichtig sind auch Multiplikator:innen – also Menschen, die in ihrer Community gut vernetzt oder angesehen sind. Wenn man sie erreicht, kommen weitere Menschen hinzu. Es entsteht ein Netzwerkeffekt.

Es gibt viele Wege, neue Zielgruppen zu gewinnen, aber am nachhaltigsten ist immer der persönliche Zugang. Wenn man offen auf die Menschen zugeht, kommen sie gerne – und sie kommen auch wieder. Viele unserer Besucher:innen sind mittlerweile Stammgäste. Ich glaube, das positive Erlebnis zählt oft mehr als das Thema selbst. Natürlich ist auch das Thema wichtig, aber die Emotionen, die damit verbunden sind, spielen eine zentrale Rolle.

Finden derzeit weitere Veranstaltungen im Rahmen von „Minderheiten im Dialog“ statt? Und wie gestaltet sich generell eure Zusammenarbeit mit anderen Minderheiten?

In diesem Jahr haben wir im Rahmen von „Minderheiten im Dialog“ bereits eine Veranstaltung umgesetzt. Darüber hinaus haben wir auch Kontakt zu anderen Minderheiten: Wir haben beispielsweise die Roma, die Karäer oder auch die jüdische Minderheit eingeladen. Aktuell haben wir eine Förderung für ein Projekt erhalten, das unter dem Titel „Opolskie Laboratorium Kultur“ läuft – also sinngemäß „Oppelner Laboratorium der Kulturen“.

Dieses Projekt umfasst Veranstaltungen, die verschiedene Minderheiten und Gruppen zusammenbringen und ihre Perspektiven sichtbar machen sollen. Unser Ziel ist es, zu zeigen, dass Oppeln und die Region historisch wie gegenwärtig vielfältig sind. Geplant sind Gesangworkshops, Buchvorstellungen sowie eine Führung durch den jüdischen Friedhof in Oppeln.

Darüber hinaus laden wir gerne auch Menschen aus anderen Ländern ein. Uns ist es wichtig, sowohl international zu arbeiten als auch die historische Vielfalt der Region abzubilden. Auch thematisch wollen wir neue Akzente setzen – wie zuletzt bei der Reihe „Die Frau und der Krieg“, in der wir gezielt weibliche Perspektiven beleuchtet haben. Das hat spürbar andere Menschen angesprochen als klassische historische Formate.

Fahrradfahren: eine wiederentdeckte Leidenschaft von Iga Nowicz in der Oppelner Gegend.
Foto: Iga Nowicz

Gibt es einen Ort oder ein Hobby, das du in Oppeln für dich entdeckt hast?

Ich fahre sehr gerne Fahrrad – das ist zwar kein neues Hobby für mich, aber hier in Oppeln habe ich es definitiv wiederentdeckt. Die Umgebung bietet unglaublich viele schöne Strecken. Besonders gerne fahre ich zur Bolko-Insel oder weiter zu der Badestelle. Auch rund um Oppeln gibt es tolle Routen.

Letztens war ich zum Beispiel bei Dobrzeń – dort kann man wunderbar entlang der Oder fahren. Die Landschaft ist wirklich beeindruckend. Ein Ziel, das ich mir noch vorgenommen habe, ist Turawa – auch das möchte ich gerne mit dem Fahrrad erkunden. Ich finde, man hat hier wirklich viele Möglichkeiten, die Natur zu genießen und gleichzeitig aktiv zu sein. Das ist etwas, das ich sehr an Oppeln schätze.

Idź do oryginalnego materiału