Ein Medikament gegen alle körperliche Beschwerden, eine wahre Wundersalbe und eine Pflegekrem oben drauf. Während meine Hausapotheke heute aus allen Nähten platzt, kannte ich als Kind nur ein Mittel, das gegen alle Wehwehchen halft: Die Nivea-Creme.
Bei meiner Oma stand die riesengroße Nivea-Dose prominent ausgestellt auf Omas Frisiertisch. Immer griffbereit und zugänglich. Ich habe die blaue Blechdose gerne geöffnet und an der Creme gerochen. Sie roch nach Luxus und Großstadt. Doch benutzten durfte ich sie nicht. Schließlich war die Nivea-Creme Omas Allzweckwaffe gegen die Unannehmlichkeiten des Lebens. Trockne Haut an den Ellbogen, Sonnenverbrennungen, alle möglichen Platzwunden ihrer Enkel, suspekte Ausschläge, allgemeines Jucken hier und dort und ich denke – manchmal auch leichte Stimmungsschwankungen.
Die Nivea-Creme war auf dem Dorf die fortschrittliche Nachfolgerin des Gänsefetts. Ihre Vielseitigkeit eroberte die Herzen der oberschlesischen Hausfrauen im Sturm. Und natürlich wurde dieses ungeschriebene Gesetz, dass Nivea zu einem Haushalt einfach dazu gehört, von einer Generation auf die andere weitergegeben. Meine Mutter hatte auch ihre blaue Nivea-Dose in der Tischschublade. Die Dose war nicht mehr so üppig wie die von Oma, aber sie hatte ihren festen Platz in unserem Haus. Ob der Nivea-Erfinder, der Gleiwitzer Oscar Troplowitz, mit dieser verrückten Treue der oberschlesischen Frauenwelt gerechnet hatte? Keine Ahnung.
Ich kann aber, nicht ohne Stolz, berichten: Sie dauert weiter an. Ihr könnt raten, was beim mir in der Schüssel neben der Kaffeemaschine liegt. Genau, eine kleine blaue Dose…